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Ausstellung von George Rousse in der Galerie eröffnet – Werke bis 12. Februar zu sehen


TUTTLINGEN – Die am vergangenen Freitag eröffnete Ausstellung "George Rousse" ist in vielerlei Hinsicht eine absolute Ausnahmeerscheinung. Klar, der Franzose ist ein Künstler von absoluten Weltrang, eine Schau in Tuttlingen alleine darf als Sensation beschrieben werden. Doch damit nicht genug: Rousse arbeitete im Sommer aktiv in Tuttlingen, sein Projekt verband verschiedene Institutionen der Stadt wie Mutpol, die Galerie, die Jugendkunstschule und den Rotary Club Hohenkarpfen-Tuttlingen auf eine nie dagewesene Art und Weise.

Nach einem Grußwort von OB Michael Beck bedankte sich Daniela Hermann, Präsidentin des Rotary Clubs Hohenkarpfen-Tuttlingen, bei dem anwesenden Künstler insbesondere für seine Bereitschaft die Einnahmen aus dem Verkauf der in Tuttlingen entstandenen Arbeiten für das Projekt "Cool Arts" zu spenden. Im Anschluss daran führte Galerieleiterin Anna-Maria Ehrmann-Schindelbeck in das komplexe Schaffen des Künstlers ein: "Es ist jedes Mal neu und aufregend, mit George Rousse ein Projekt zu machen. Das liegt einfach in der Natur dieses Künstlers, der innovativ, situativ und interaktiv zugleich arbeitet, der Menschen und Umstände zueinander in Beziehung setzt und daraus neue, transzendierende Wahrnehmungs- und Vorstellungsmöglichkeiten schafft."



George Rousse ist bei der Eröffnung vor Ort. Seine Tochter Julie umrahmt die Vernissage mit einer musikalischen Performance.  Foto: Jeremias Heppeler


Rousse bezeichnet sich als einen Reisenden. Aber nie müde, seine Spuren zu hinterlassen. Er taucht auf, arbeitet an einem konkreten Projekt und verschwindet. Der 1947 geborene Künstler transformiert Räume, er schreibt sie um, schreibt sich ihnen ein: Der dreidimensionale Raum verschiebt sich unter der Hand des Perspektiv-Chirurgen zur zweidimensionalen Fläche. Folgt man dem Credo "Architektur ist Geiselnahme" (copyright: Einstürzende Neubauten) so könnte man Rousse wohl als Verhandlungsführer bezeichnen.

Ein stetig mitschwingendes Zitat in Rousse Arbeit ist Kasimir Malewitschs "Das schwarze Quadrat". Die ultimative Leerstelle der Kunst und Kunstgeschichte, auch hier ein Akt der Befreiung. Besonders interessiert sich der Franzose für verlassene, ambivalente Orte. Auch der Tuttlinger Bahnhof, wo Rousse im vergangenen Jahr seine Installation "Tuttlingen 2016" umsetzte, die in der Galerie nun als gigantische Plakatwand zu sehen ist, trägt diese Eigenschaft ins sich. Die Bahnstation verbirgt unter seiner unspektakulär modernen Oberfläche ein ganzes Netz von Verweissystemen, theoretische wie praktische Ebenen und Zwischenräume. Rousse machte es sich zur Aufgabe, diese sichtbar zu machen – gemeinsam mit einer Gruppe junger Geflüchteter, die mittlerweile im Bahnhof leben, schwärzte er zunächst unzählige Zeitungsbilder. "Es ist die Reduktion, ja die Destruktion des Bildes um ein neues Bild zu kreieren. Dazwischen findet aber auch sichtbarer Text und Sprache statt. Sprache, die wir zwar erkennen, ohne ihren Sinn direkt verstehen. So kann punktuell eine Art Parallellektüre entstehen", beschreibt der Künstler sein Konzept.

Vielschichtige Arbeiten zu sehen

Die Tilgung der Bilder, die fortan als hinterlegtes Wissen mitwabern, eröffnet den Diskurs der Zensur, aber auch der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, der für Rousse' Kunstentwurf unabdingbar ist. Denn den eigentlichen Zauber kann sich der Rezipient nur bedingt vor Ort erschließen - die visuellen Zusammenhänge seiner Anarmorphosen präsentieren sich nur auf den perspektivisch perfekt ausgerichteten Fotografien des Künstlers selbst. In ebendiesen verdichten sich dann die unzähligen Diskursblasen, sie sind das eigentliche Werk. Davon zeugen die vielschichtigen Arbeiten, die nun in der Galerie zu sehen sind und denen allesamt die geometrische Form und die Umschreibung von Architektur immanent ist.

Dem Besucher ermöglicht diese Kombination eine doppelte Reise: In die ganz konkreten, realen Räume in Japan, Südamerika oder den USA, aber eben auch in den abstrakten Kosmos der absoluten Formen. Rousse, der in der Galerie zudem die Raumintervention "Utopia" umsetzt, tänzelt hier zwischen Anfang und Ende, zwischen absolutem Sinn und bewusster Sinnentleerung. Und genau in diesem Diskursfeld bewegt sich auch seine Tochter Julie, welche die Ausstellung mit einer musikalischen Performance eröffnete. Auch der musikalische Entwurf der experimentellen Komponistin gleicht einem ausloten der Grenzen. Aus gesampelten Soundschnipseln entwickelt sich ein fast schmerzhafter Klangwirbel der Störgeräusche, der in Tuttlingen in einem weißen Bedeutungsrauschen und einer vibrierenden Synthese mit Raum und dem Werk ihres Vaters mündete.

Eine filmische Dokumentation von George Rousse' Arbeit in Tuttlingen finden Sie auf www.schwaebische.de


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